Gesellschaftspolitische und ökonomische Anforderungen an eine funktionsfähige, gesellschaftsverantwortliche Daseinsvorsorge

Die Mitgliederversammlung möge beschließen:

Daseinsvorsorge umfasst die Sicherung des allgemeinen und diskriminierungsfreien Zugangs zu existentiellen Gütern und Leistungen, einschließlich deren Bereitstellung entsprechend der Bedürfnisse der Bürger und auf der Grundlage definierter qualitativer und quantitativer Standards. Außerdem ist die Daseinsvorsorge gemäß dem Sozialstaatsprinzip eine staatlich verpflichtende Aufgabe. Sie muss allen unabhängig von Herkunft oder Lebenslage zu Gute kommen, soziale Teilhabe ermöglichen und Beteiligungsrechte verbessern.

Die englische Übersetzung „services of general interest“ beschreibt die Leistungen und Güter der Daseinsvorsorge. Dazu zählen, Bildung, Gesundheit, Pflege, Energieversorgung, Kultur, öffentliche Sicherheit, Post, Telekommunikation, Medien und digitale Netze, Verkehr (Straßen, ÖPNV, Häfen, Flughäfen), Wohnungswirtschaft, Rettungsdienste und Katastrophenvorsorge, etc.

Alle Aufgaben, die im öffentlichen und gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen, dürfen nicht rein privaten Profitinteressen unterworfen sein. Sie sind Aufgaben des Staates auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen. Sie können bei entsprechender demokratischer Kontrolle auch genossenschaftlich oder gemeinwirtschaftlich organisiert sein.

Die Finanzierung dieser Kernaufgaben hat Vorrang vor anderen Haushaltsaufgaben. Sie kommen Allen zugute, deshalb müssen alle Unternehmen, sämtliche Einkommen, alle Vermögen, alle Bürgerinnen und Bürger über gerechte Steuern zur Finanzierung dieser Aufgaben herangezogen werden. Gerecht heißt, dass stärkere Schultern auch stärker an der Finanzierung beteiligt werden. Diese Steuereinnahmen sind wiederum aufgabengerecht auf die drei Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) entsprechend der Verantwortlichkeit für die Güter und Leistungen der Daseinsvorsorge zu verteilen (Konnexitätsprinzip). Dabei ist darauf zu achten, dass strukturelle und wirtschaftliche Verwerfungen ausgeglichen werden, um allen Menschen den gleichen Zugang zu diesen existenziellen Leistungen zu sichern. Alle Mitglieder unserer Gesellschaft haben ein Recht auf Daseinsvorsorge.

Ziel ist:

  • Alle Betreuungseinrichtungen (für Kinder, Senioren und Menschen mit Behinderungen sowie Pflegebedürftige), Bildungseinrichtungen, der öffentliche Personennah- wie Fernverkehr, Schienenverkehr, Straßen, Häfen sowie Wasserwegeinfrastruktur, Trinkwasser- und Abwassernetze, Telekommunikation und digitale Netze, Strom- und Gasnetze sind Güter und Leistungen der Daseinsvorsorge und gehören in öffentliche Hand. Sie dienen allen, eine angemessene Ausstattung ist eine gemeinschaftliche Verpflichtung, wie auch die entsprechende Bezahlung des dafür benötigten Personals. Der Staat gibt Standards und allgemeingültige Bedingungen vor, die auch für nichtstaatliche Einrichtungen gelten (z.B. allgemeinverbindliche Tarifverträge).
  • Die Gesundheitsversorgung, insbesondere flächendeckende Krankenhaus-versorgung, sind wieder in öffentliche, nicht profitorientierte Trägerschaft zu überführen. Personelle Mindestausstattungen und angemessene Tariflöhne sind allgemeinverbindlich. Standards in der Altenpflege und für Wohn- und Pflegeheime werden von kommunalen, regionalen und überregionalen Parlamenten festgelegt und deren Einhaltung überwacht. Personelle Mindestausstattungen und flächendeckende Tariflöhne sind allgemeinverbindlich.
  • Soziale Dienste sind in kommunaler oder öffentlich-rechtlicher bzw. gemeinnütziger Trägerschaft (non-profit) zu organisieren. Dazu gehören Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, wie auch Betreuungsangebote für Familien und Menschen in Konfliktsituationen. Sie können zusammen mit regionalen oder kommunalen medizinischen Versorgungszentren unter einem Dach arbeiten. Die Leistungen für Kinder, Jugendliche und Familien müssen nachhaltig wirksam und entsprechend bedarfsgerecht/auskömmlich finanziert sein. Erfolgreiche Angebote sind zu verstetigen.
  • Das Recht auf Wohnen und das Recht auf einkommensangemessenes Wohnen ist gesetzlich zu gewährleisten. Dazu zählen ggf. auch Mietenobergrenzen sowie ein System der Grunderwerbssteuer, das Spekulation und Steuervermeidungsmodelle (Share-Deals) auf Kosten der Allgemeinheit verhindert. In der Hand gewinnorientierter Unternehmen befindlicher Wohnraum unterliegt der öffentlichen Kontrolle. Die öffentliche Hand muss eine die Preise setzende Marktposition haben. Die öffentliche Hand wird wieder beim Bau, wie bei der Unterhaltung von Wohnungen, als starker Akteur tätig, sichert insbesondere die Versorgung mit preiswertem und sozial ausgewogenem Wohnraum.
  • Grund und Boden wird der privaten Spekulation entzogen. Verteilung und Nutzung von Grund und Boden wird öffentlich überwacht (Vgl.: Bayerische Verfassung).
  • ÖPNV ist nicht nur eine Aufgabe von gesamtgesellschaftlichem Interesse, sondern dient ebenso dem Klimaschutz. Er wird ökologisch wie attraktiv und barrierefrei ausgebaut. Ziel muss die kostenlose Benutzung für alle Menschen sein.
  • Der schnelle und flächendeckende Zugang zu allen Informationstechnologien liegt ebenso im gesamtgesellschaftlichen Interesse, wie der Zugang zu Trinkwasser. Der Zugang zu schnellen Datennetzen soll daher als Grundrecht verstanden werden, das allen unabhängig von Einkommen und Wohnort zusteht. Ausbau und Betrieb ressourcenschonender Datennetze sind deshalb als öffentliche Aufgabe wahrzunehmen.
  • Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung und Ausbildung. Das Schulsystem wird für alle Bundesländer auf einen einheitlichen Standard gebracht. Neben dem Erlangen von Fachwissen wird soziales Lernen und politische Bildung durch praktisch- und lebensnahe Fächer und Gruppenangebote sichergestellt, ausgebaut und verstetigt. Die Kinder werden durch ein gesundes und positiv erlebbares Schulumfeld auf einen guten Start in ein eigenständiges Leben vorbereitet.
  • Kultur und Sport sind Allgemeingut für die Bevölkerung. Entsprechend ihrer Zentral- oder Oberzentralfunktion (89 Großstädte über 100.000 Einwohner in Deutschland) bietet eine Kommune Archive, Bibliotheken, Museen, kommunale Theater, Gedenkstätten, Sport-, Freizeiteinrichtungen und Kulturzentren an.
  • Einrichtungen zum Schutz und zur Beratung von Menschen, die von Gewalt (psychisch oder physisch) betroffen sind, gehören zur Daseinsvorsorge.
  • Haupt- wie ehrenamtliche Rettungsdienste, Feuerwehren und Katastrophenschutz schützen und stützen die gesamte Gesellschaft. Sie sind elementare Daseinsvorsorge und deshalb in der Verantwortung der öffentlichen Hand. 
  • Die Medienlandschaft darf nicht völlig privaten gewinnorientierten Unternehmen überlassen werden. Wie bei Rundfunk und Fernsehen muss auch in allen anderen Medien eine unabhängige öffentlich-rechtliche Grundversorgung an objektiver Information und Meinungsvielfalt in der Gesellschaft dauerhaft über öffentlich-rechtliche Medien gewährleistet werden.

In unserem Land muss ein gleiches Recht auf Leistungen und die Benutzung der Güter der Daseinsvorsorge für Alle bestehen. Dieses Recht darf weder aufgrund der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse noch aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Kommune oder der Region eingeschränkt sein.

Der Zugang zu Leistungen der Daseinsvorsorge wird unabhängig von den wirtschaftlichen, sozialen oder körperlichen wie geistigen Verhältnissen des Einzelnen, noch von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Träger gewährleistet.

Antragssteller: SPD-OV-Neudorf

Adressat: SPD-Ratsfraktion Duisburg, SPD-Bundestagsfrakton, SPD-Landtagsfraktion

Beschlussprüfung: